Vereinsnostalgie des TV-Haßloch - Die Jahre 1890 bis 1914

1890 - 1914

Die ersten 25 Jahre (1890 bis 1914)

Man lebte in der Kaiserzeit, zahlte die Steuern nach dem Klassen-Wahlrecht, was damals noch als ein Ehre angesehen war. Die Gründerjahre mit dem Überfluß an Geld nach dem Krieg mit Frankreich waren vorbei, und die Konkurswelle aus den Spekulationsgeschäften, leichtes und schnelles Geld (fast so wie heute, man denkt, es hat sich nichts geändert), ebbte auch wieder ab; man kehrte zum normalen Leben zurück.

Seit 1888 war Wilhelm II in Deutschland Kaiser; in dem für uns bedeutsamen Jahr 1890 hatte er Bismarck entlassen und setzte eine Politik des Aufbruchs in Gang. Helgoland wurde von England gegen Sansibar getauscht und Heer und Marine wurden stark aufgerüstet. In dieser Zeit wurde die Braunsche Röhre erfunden, die Grundlage unserer Fernsehtechnik; Madame Marie Curie entdeckte das Radium, die Grundlage unserer Nuklearforschung. Schon 1890 erzeugt Robert Koch das Tuberkulin, Dunlop produziert den ersten Luftreifen. Kunst und Kultur beschritten neue Wege, neue Opern wurden komponiert - Pique Dame, Cavalleria Rusticana- ; es entstehen neue Gemälde -Frau mit Ziege (Liebermann), Kornfeld mit Krähen und der Pflug (van Gogh), Heuschober (Monet), Taunuslandschaft (Thoma).

Die soziale und politische Gleichstellung der Frau bekam mehr Gewicht und die zunehmende Beteiligung der Frau am Arbeitsprozeß führte zu neuen Berufen: Beamtin, Bürofrau, Handelsgehilfin, Ärztin und Advokatin . Die Arbeiterschaft begann sich zu organisieren, was sich auf mehr Selbstachtung, Stolz und Pflichterfüllung auswirkte. 1896 wurde das BGB erlassen und 1900 eingeführt. Man besann sich auf die guten deutschen Tugenden und entdeckte wieder den Turnvater Jahn, auch in Haßloch.

In dieser Zeit 1890, war Haßloch ein kleines Dorf mit etwa 230 Einwohnern und 12 Bauernhöfen, einer eigenen Pfarrei, Rathaus, eigener Polizei und Schule und seit 1890 mit einem Turnverein, dem TVH.

In dieser Aufbruchsstimmung gründeten am 20. Mai 1890 33 turnbegeisterte Personen unter dem Vorsitzenden Peter Schollmeyer eine aktive Turnerriege. Besonders festgehalten in den Annalen waren die Gründungsmitglieder: Ludwig Bomer, Karl Bredel, Anton Gundolf, Martin Hartmann, Johann Hartmann, Philipp Kneip, Anton Mathes, Johann RendeI, Johann Rötger, Fritz Roosen, Heinrich Roosen, Anton Schader, Georg Schader, Joseph Schader, Johann Schneider, Philipp Schneider, Peter Schollmeyer.

Von der Gemeinde bekam der neue Verein einen Turnplatz angewiesen, für den man noch 1898 eine Pacht von 8.80 Mark bezahlen mußte.

Waren es anfangs nur sieben aktive Turner, so wurden es bis 1896 bereits 26 aktive Turner. Man unterschied zwischen aktiven, inaktiven Mitgliedern und Zöglingen, das waren die Jugendlichen; Kinder wurden noch nicht aufgenommen. Zur Aufnahme mußte der Anwärter, auch der Zögling, ein "Eintrittsgeld von 50 Pfennig" bezahlen.

Die Mitgliedsbeiträge betrugen für die Aktiven 20 Pfennig, die Inaktiven 15 Pfennig, die Zöglinge 10 Pfennig, aber nicht monatlich, sondern alle 14 Tage !

Vereinsabzeichen waren für jeden selbstverständlich und kosteten jedes Mitglied 15 Pfennig. Der Verein stellte den Aktiven und den Zöglingen Turnschuhe zur Verfügung, dafür erfolgte zusätzlich "eine Hebung von monatlich 50 Pfennig für Aktive und 25 Pfennig für Zöglinge".

Die Teilnahme an den Versammlungen war offensichtlich obligatorisch, denn die Versammlungstermine wurden vom Dorfpolizisten (bzw. später "Gemeindediener") ausgeschellt; dafür mußte der Verein dann eine kleine Gebühr (50 Pfennig) bezahlen. Mitglieder, die an den Versammlungen nicht teilgenommen haben und unentschuldigt gefehlt haben, mußten "eine Strafe von 10 Pfennig wegen Versäumung der Versammlung" und z. B. ,,50 Pfennig wegen Nichtbeteiligung des Gaufestes " bezahlen. Auf der Versammlung am 19.3.1899 versäumten ,,7 Mann von 44 Mitgliedern die Versammlung und zahlten je 10 Pfennig Strafe". Der "Metzger Michel zahlte eine Beisteuer (so bezeichnete man eine Spende !) von 2,50 Mark". Auch wenn Mitglieder wegzogen, wie der Johann Orth, 1907 nach Köln, war es üblich, "eine freiwillige Beisteuer" zu zahlen, in diesem Fall von 5 Mark, oder so auch geschehen beim " Wegzug nach Rüsselsheim".

Auch sonst versuchte der Verein seine Einnahmen zu mehren. So wurde jährlich das Gras vom Turnplatz verkauft und man war stolz über den "Erlös von 1 ,50 Mark. Zur Weihnachtsfeier wurde ein Tannenbaum mit Zubehör gekauft und später verlost. Für den Baum wurden beispielsweise 1897 10,50 Mark bezahlt, die Spitze kostete 2,50 Mark und die "Lichterhalter" 60 Pfennige. Gekauft wurden auch "Preise" bei Paul Hungsberg in Rüsselsheim für eine Geschenkverlosung (z. B. 1903 für 47,14 Mark). An "Loosen" zeigte das Kassenbuch "aus der Christbaumverlosung" die Einnahme von stolzen ,,129,90 Mark". (Also auch heute leben wir noch beim Weihnachtsmarkt in unserer alten Haßlocher Tradition.)

Noch im Gründungsjahr 1890 beteiligten sich die TVH-Turner an dem Gauturnfest in Büttelborn und erzielten beachtliche Plazierungen unter 250 Teilnehmern. Dies motivierte die Vereinsmitglieder so sehr, dass schon 1892 ein Barren für 80 Mark gekauft wurde. In den folgenden Jahren nahmen die Turner des TVH an vielen Wettkämpfen teil und holten viele Preise. Die "Leistungsriege von acht guten Turnern" war allseits anerkannt, darunter war auch der unten erwähnte Johann RendeI.

Auch im Sommer 1896 war die Begeisterung der TVH-Mitglieder so groß, dass man sich entschloß, eine eigene Vereinsfahne zu besitzen. Sie wurde am 14. Juni 1896 offiziell vorgestellt und geweiht. Sie kostete 542 Mark (!) und konnte nur bezahlt werden, weil viele Haßlocher Bürger "Fahnenspende" zahlten.
Nach der feierlichen Fahnenweihe wurde die Fahne mit einem Umzug durch Haßloch getragen; der Fahnenträger war der spätere Vereinsvorsitzende Peter Krummeck, den die Fahnenjungfrau Maria Nauheimer und der siebenjährige Johann RendeI begleiteten -wir werden ihm in unserer Chronik noch öfter begegnen - er trug das Vereinsschild.

Feiern konnten die Haßlocher schon immer gut. Viele Anlässe gab es oder sie wurden erdacht. Seit 1900 gab es schon Sänger im TVH, wie den Shanty-Chor. Es waren 1907 schon 21 Mann, die einheitliche "Krawatten und ein Vereinszeichen für (zusammen) 49,25 Mark" trugen. Sie nahmen "an verschiedenen Gesangwettstreiten teil und kehrten jedes Mal preisgekrönt zurück". Für "Musik vom Tanzen, für Tanzfeste und für Waldfeste", "wo die Preise in einem Korb eingepackt waren", sind immer wieder Einnahmen verzeichnet. Interessant sind auch die Eintragungen im Kassenbuch über die Ausgaben für "humoristische Stücke" bei den "Familienabenden". Es wurden dafür zum Beispiel von Fritz Roosen "humoristische Stücke zu á 75 Pfennig besorgt und verschiedene Kleidungsstücke, zwei Vatermörder, zwei Kinnschnurbärte, vier Nasen, vier Schnurbärte und eine Puppe (28.10.1900) ".

Aber auch arbeiten konnten die Haßlocher; augenscheinlich liegt die praktische Vereinsabreit den Haßlochern im Blut. Für ,,30 Stück gelieferte Bahnschwellen wurden 27 Mark richtig bezahlt" und auch der Eintrag "für Beifahren einer Fuhrsand 1,50 Mark" zeugt von der Arbeitsbereitschaft der Mitglieder.

1903 entschloß sich der Verein mit damals 49 Mitgliedern, einen Einheitsbeitrag einzuführen, und setzte ihn auf ,,15 Pfennig für jeweils zwei Wochen" fest; dafür "verlangte man für die Gestellung von Turnschuhen nur noch 30 Pfennig pro Monat".

1909 übernahm "Johann Rendel als Kasier" die Vereinskasse.

Ab 1910/1912 waren die politischen Umstände auf einen Platz an der Sonne als Großmachtgelüste gerichtet. Viele Haßlocher, auch von den TVH-Turnern einige, wurden zum Militärdienst eingezogen. Während dieser Zeit zahlten sie keine Vereinsbeiträge und nach Beendigung der Militärzeit kehrten sie in den Verein wieder zurück, was in den Mitgliederlisten jedesmal fein säuberlich vermerkt wurde. Die Zeichen deuteten mittlerweile immer stärker auf Krieg hin, auch die Haßlocher zogen in den Krieg, (damals noch fröhlich und mit Blumen am Gewehr und Tsching-darassa-bum).


Mit freundlicher Unterstützung unserer Premium-Partner:
Globus Rüsselsheim Bauschheim webmobil24 Kreissparkasse Groß-Gerau Rüsselsheimer Bräu Rosbacher gewobau Rüsselsheim