Eine Golfgeschichte zum Schmunzeln

Zum Schmunzeln

Deutsches Klasse(n)golf

Das Golfspielen soll ja jetzt endlich auch in Deutschland ganz dringlich Breitensport werden. Wenn es nach den Vorstellungen des hoch wohl weisen Deutschen Golf Verbandes geht, muss der Wandel einer bei uns leider immer noch unter Eliteverdacht stehende Sportart zur demokratischen Massenveranstaltung noch rechtzeitig bis zum dann hoffentlich in Deutschland ausgetragenen Ryder Cup 2018 vollzogen sein.

Deswegen erklären sie allen bisher noch nicht golfspielenden Menschen immer wieder und aus allen Rohren, dass Golf überhaupt gar nicht so teuer sei, wie alle denken, und auch keinesfalls eine besonders elitäre Angelegenheit. Immerhin gibt es inzwischen sehr günstige Einstiegsmöglichkeiten, allerlei preiswerte Arrangements und Fernmitgliedschaften sowie den vom DGV zur weiteren Herstellung von  Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit erfundenen Verein clubfreier Golfspieler: Vor Gott und auf dem Golfplatz sind alle gleich.

Nun hat der DGV in seiner unermesslichen und international einzigartigen deutschen Regelwut heuer zum ersten Mal vier unterschiedliche DGV-Ausweise herausgegeben. Nicht, um, wie es Peter Foerstendorf vom DGV im Fachmagazin Golfmanager erklärt, etwa eine Art Klassengesellschaft im Golfsport zu etablieren, sondern „weil der Golfmarkt sich segmentiert“ und man die Freien und Gleichen des deutschen Massensports Golf in aller Brüderlichkeit deswegen doch auch ein bisschen unterscheiden und – zum Beispiel bei der Berechnung von Greenfees – auch entsprechend unterschiedlich behandeln und zur Kasse bitten müsse.

Wenn wir hier alles richtig verstanden haben, steht das silberfarbene Hologramm auf dem DGV-Golfausweis des Jahres 2009 für gehobenes Billigheimertum. Wenn es mit dem Buchstaben „vS“ versehen ist, für volles Spielrecht in einem Heimatclub, der ansonsten hauptsächlich von Fernmitgliedern lebt. Das silberfarbene Hologramm mit dem Buchstaben „R“ dagegen bedeutet, dass der Inhaber zwar möglicherweise in seinem Heimatclub nur unter der Woche spielen darf, dafür aber mindestens 90 Prozent seiner Clubkameraden in einem Umkreis von 100 Kilometern wohnen, also auch kein nennenswerter Handel mit Fernmitgliedschaften getrieben wird. Das goldfarbene Hologramm mit dem Buchstaben „R/vS“ steht für den Golfer erster Klasse, für jemanden also, der vollspielberechtigtes Mitglied in einem Club ist, dessen Mitglieder zu mindestens 90 Prozent im Umkreis von 100 Kilometer wohnen. Außerdem gibt es noch den grünen DGV-Ausweis ohne Hologramm für das Golf-Prekariat.

Dazu ein Vorschlag. Weil es doch sehr aufwendig ist und international möglicherweise auch als unhöflich angesehen würde, am ersten Abschlag Ausweis zu kontrollieren, sollte der DGV für 2010 verschiedenfarbige Hemdchen vorschreiben mit einem Gesetz, das man möglicherweise Gesamtdeutschegolfplatzkleiderverordnung nennen könnte: rotes Polo mit Clubemplem für die goldne Vollmitgliedschaft, gelbes Hemd für den einfachen, silbernen Golfspieler, das orange mit dem DGV-Emblem für die silberne Mitgliedschaft mit PE und staatlich geprüfter Beherrschung der Etikette, beiges Polo für den einfachen Billigheimer und das schlammfarbene T-Shirt mit Regel-Aufdruck und Warndreieck am Ärmel für alle anderen. Von 2011 an wird die Hemdenverordnung dann sukzessive um eine deutsche Hose- beziehungsweise Rockvorschrift für die einzelnen Spielklassen erweitert: weiße Hosen und Röcke für Handicaps 0 bis 9, beige für 10 bis 20, schwarze für 20 bis 36. Bluejeans für die Prèkären.

Und bis zum Ryder Cup 2018 müsste es dann eigentlich auch möglich sein, eine international Respekt gebietende Uniform zu entwerfen mit Streifen, Litzen und Schulterstücken für den DGV-geprüften deutschen Golf-Marshall.

Mann, dieses Nachspiel... 

Es gibt  auf den Clubterrassen dieses Landes leider nur noch drei Arten von Apres-Golf-Konversatztionen: das verbale Nachspiel, den Vereins-Gossip und das Ausrüstungsgespräch. Jedes dieser Unterhaltungsmuster ermöglicht andere Ein-blicke in die psychosozialen Risiken und Nebenwirkungen dieser seltsamen Beschäftigung, die wir Golf nennen.

das verbale Nachspiel ist ein vor allem unter Männern verbreitetes Ventil für die tiefen narzistischen Kränkungen, die eine Runde Golf nun einmal bereithält für die ewig jung bleibende (und deswegen immer etwas pubertierende) männliche Seele. In leichten Fällen behandelt das verbale Nachspiel nur zwei bis sieben Überraschungstreffer und Renommierschläge, die jedem durchschnittlichen Golfspieler auf einer Runde gelingen: “Habt ihr gesehen, wie ich die Kugel mit dem Holz fünf aus diesem Fairwaybunker herausgezaubert und aufs Grün gehauen habe?”.

In schweren Fällen beschäftigt sich das verbale Nachspiel ausführlich mit allen verpassten Chancen und Hoffnungen einer Golfrunde. Das geschieht immer unter der Benutzung der auch unter ehrgeizigen weiblichen Apres-Golfern sehr beliebten Hätte-, Wäre- und Wenn-Konstruk-tionen: Wenn mein Abschlag auf der Vier so gut wie vorgestern wäre, hätte ich den zweiten Schlag nicht in den Bunker, sondern an die Fahne gesetzt.

Als behandlungsbedürftig unter den verbalen Nachspielern gilt, wer seinen Mitspieler eine Revue nahezu aller seiner Schläge und Kunststückchen der letzten und vorletzten Runde zumutet. Man sieht solche Menschen häufig sehr allein am Tresen des Clubhauses sitzen bei der gütigen, immer geduldigen Wirtin, die um so anteilnehmender lächeln kann, je mehr sie ihre Ohren auf durchzu gestellt hat.

Weibliche Spieler sind vor allem von der Konversations-Variante Vereins-Gossip betrof-fen. Es ist eine seit Jahrtausenden am Dorf-brunnen eingeübte und auf Golf nur geschickt übertragene subtile Methode zur sozialen Ausdifferenzierung und Kopensation aller Spielenttäuschungen, weswegen sich die Clubterrasse am Damennachmittag anhört, wie fünf Tonspuren von ”Sex and the City” überein-andergeschnitten: Wer mit wem und warum nicht, Kochrezepte, Krankheiten und Cliquenwirt-schaft, der neuen Vorstand und der alte Clubmanager und überhaupt. Alles schon sehr viel interessanter als das plumpe verbale Nachspiel.

Meine Lieblingsvariante aber ist das Ausrüst-ungsgespräch.Ausrüstungsgespräche versorgen den an seinem Golfspiel verzweifelten intel-ligenten Menschen mit Zuversicht, Hoffnung und der notwendigen Selbsttäuschung: Alles wird besser und wieder gut, wenn ich demnächst erst auch diesen neuen, sehr eleganten Elektrorolly habe, bei dem man nicht einmal sieht und hört, dass es ein Elektrotrolly ist. Tourspieler tragen oder ziehen ihre Schläger ja schließlich auch nicht selbst.

Ausrüstungsgespräche als Kompensationshand-lungen beginnen meistens schon auf der Runde. wenn zum Beispiel Spieler A drei Löcher hintereinander schnurgerade und sehr weit abschlägt, muss Ausrüstungsfreak B gar nicht unbedingt anerkennen, dass sich die letzten 25 Trainerstunden, die Abende auf der Range und das Fitnesstraining in Kombination mit der ohnehin außerordentlichen Golf-Begabung des Spielers A offensichtlich anfangen auszuzahlen. Er kann auch sagen: Tolle Abschläge. Darf ich ihren Driver bitte auch einmal ausprobieren, gnädige Frau.

MAN WEIß DANN NIE, WAS MAN HOFFEN SOLL. DASS ER ZUR STRAFE ZUFÄLLIG MIT DEM GELIEHENEN DRIVER SO GUT TRIFFT, DASS ER IHN SOFORT AUCH HABEN UND ESWEGEN GLEICH NACH DER RUNDE 650 EURO AUSGEBEN MUSS? NOCH BESSER IST, WENN ER ÜBERHAUPT NICHT TRIFFT, DAMIT FÜR DAS VERNBALE NACHSPIEL BEWIESEN IST, DASS DIE GRANDIOSEN ABSCHLÄGE EBEN NICHT AN DIESEM WUNDERBAR FEHLERVERZEIHENDEN FT-I-DRIVER LIEGEN, JEDENFALLS NICHT NUR. 

 

Der Sonntagsstau

Golfspielen im Stau ist immer wieder eine Herausforderung, eine mentale hochinteressante Angelegenheit. Letzten Sonntag zum Beispiel war es wieder einmal so weit: prachtvolles Herbstwetter, herrliche Luft, gepflegte Fairways, wahnsinnig schnelle Grüns und ein sympathischer, gut gelaunter, nahezu aufgekratzter Flight. Wir spielten Ehepaar gegen Ehepaar, verabredet war Best-Ball und Aggregat für Drinks nach der Runde mit Zusatzwetten auf Bruttobirdies und Snake. Alle waren hoch motiviert und spielten ihr herrlichtes Herbstgolf. Es gab nur Pars und Bogeys auf den ersten fünf Löchern. Es hätte ein makelloser Golftag werden können.

Wenn wir nicht am sechsten Loch in den Sonntagsstau gelaufen wären. Die Jungs mussten schon beim Abschlag warten, weil vor uns auf dem Fairway vier Menschen für ihre zweiten Schläge anstanden. Die Daddeltruppe vor diesem Flight wollte einfach das Grün nicht erreichen. Und als nach einer gefühlten Viertelstunde schließlich alle vier nach ausführlichen Lesen des Grüns mit mindestens je drei Putts eingelocht hatten, mussten drei von ihnen schnell noch einmal zurücklaufen, weil sie ihre Wägelchen zwanzig Meter vor dem Grün geparkt hatten. Es waren Anfänger offensichtlich, Anfänger, die ihre Platzreife bestimmt nicht bei uns im Club gemacht haben können.

Versteht mich nicht falsch. Jeder von uns war Anfänger, manche bleiben es ein Leben lang. Jeder von uns braucht gelegentlich fünf Annäherungsschläge. Aber jedem von uns hat man doch als erstes die Etikette beigebracht, kluge Abstellplätze für Golfwägelchen, Durchspielregeln und Stablefordspiel-weisen vor allem, bei denen auch ein Anfänger spätestens nach dem neunten Schlag auf einem Viererloch tapfer seinen Ball aufnimmt, jedenfalls an einem der letzten, warmen Sonntage im Jahr, auch auf einem deutschen Golfplatz. Funktioniert doch sonst fast überall. In England sogar ohne Platzmarshall.

Aber darum soll es heute gar nicht gehen. Weil noch sehr viel interessanter ist, was so ein Stau mit einem durchschnittlichen Golfspieler anrichtet und warum das schönste Golf bei den meisten von uns so erbärmlich einbricht, nur weil wir ein wenig warten müssen und die Superhirne hinten uns vielleicht schon mal den einen oder anderen Abschlag in unsere Hacken spielen. Es gibt verschiedene Arten, mit diesem Stau und Press, diesem sonntäglichen Sandwichdruck umzugehen: Frauen und Mädchen fangen in der Regel an zu quatschen. Sie packen die Butterbrote aus, erzählen sich was und haben, wenn es dann schließlich weiter geht, vergessen, dass sie auf einem Golfplatz stehen und wie so ein Golfschwung sich eigentlich anfühlen sollte. Männer und routinierte Spielerinnen dagegen schweigen. Das heißt, erst pöbeln sie ein wenig über die Hirnis da vorne. Dann treten sie beiseite, atmen ein und aus und machen ein paar Übungsschwünge, um nicht aus dem Rhythmus zu kommen. Wenn sie dann allerdings endlich dran sind, versuchen die meisten von ihnen doch, die verlorene Zeit wieder einzuholen und erhöhen das Tempo ausgerechnet zwischen Rückschwung und Vorschwung. Das Ergebnis ist so oder so ein Desaster: Die Schwünge brechen ein, der Rhythmus bricht ein, die Stimmung bricht ein, der Score bricht ein, Wurschtigkeit und Verzweiflung brechen aus. Der Sonntagnachmittag wird freudlos und lang. Lang vor allem. Wir haben schließlich sogar mit der Zockerei aufgehört, Machte ja keinen Sinn mehr.

Dabei wäre es so einfach. Es geht langsamer jetzt, also müssen nur alle im Flight einen neuen Rhythmus finden. Man sollte die Luft genießen. Man könnte zur Wiederherstellung der Konzentration verschärfte Zusatzwetten abschließen. Man sollte, wenn man dann endlich wieder dran ist, einatmen und ausatmen, zwei oder drei Probeschwünge machen und vor allem in aller Ruhe und Zeitlupe seine gewohnte Schwungroutine durchziehen, ganz egal, wer oder was hinter einem geschieht.

Man könnte, man sollte. Alles, was man dazu braucht, ist nur buddhistisch trainierte Gelassenheit, ein Abruf ausdehnbares Selbstbewusstsein, Käseglockenmentalität und ein Riesenego. Aber ohne das alles geht Golfspielen ja sowieso nicht.


Mit freundlicher Unterstützung unserer Premium-Partner:
Globus Rüsselsheim Bauschheim webmobil24 Kreissparkasse Groß-Gerau Rüsselsheimer Bräu Rosbacher gewobau Rüsselsheim